Universität Potsdam, Insitut für Mathematik, WS2012/13
Mi 10:15-11:45 Uhr (siehe aktuelle Information für den ersten Termin!)
Golm, Haus 28, Raum 2.123
Mi 12:15-13:45 Uhr
Golm, Haus 28, Raum 2.123 (alternative Räume werden in der Vorlesung bekannt gegeben)
DO 10:15-11:45 Uhr
Golm, Haus 05, Raum 1.06
Ralf Engbert (Kognitionswissenschaften), Wilhelm Huisinga (Mathematik), Sebastian Reich (Mathematik), Tobias Scheffer (Informatik)
Die Übungen zum Kognitionswissenschaftlichen Teil finden in 2.14.0.26 statt.
Inhalt: Ziel der Ringvorlesung ist es, theoretische Kenntnisse und praktische Fähigkeiten der mathematischen Modellierung, Simulation und Datenanalyse in einem interdisziplinären Umfeld zu vermitteln. Neben dem Erwerb grundlegender mathematischer Techniken ist es in diesem Kontext essentiell, dass wir Mathematik als eine vereinheitlichende Sprache begreifen, die es ermöglicht komplexes Wissen sowie Hypothesen in einer Art und Weise zu formulieren und zu kommunizieren, die einer theoretischen Analyse, numerischen Simulationen sowie einem Vergleich zu experimentellen Daten zugänglich sind. Im Sinne einer engen Verknüpfung von Theorie und Praxis wird die Ringvorlesung am Beispiel von vier konkreten Themenstellungen aus den Bereichen Psychologie (Prof. Engbert), Informatik (Prof. Scheffer), Meteorologie (Prof. Reich) und Pharmakokinetik (Prof. Huisinga) die Bedeutung mathematischer Modellierung für das Verständnis angewandter Problemstellungen illustrieren.
Zielgruppe: Studierende der Mathematik, Informatik, Kognitionswissenschaften etc.
Voraussetzungen: keine
Schein/Credits: Gemäß Prüfungsordnung
Mathematische Modellbildung ist kritisches Element in der wissenschaftlichen Herausforderung, die komplexe Beziehung zwischen den Aktivitätsmustern im Nervensystem und dem menschlichen Verhalten besser zu verstehen. Dabei sind biologische Prozesse auf der Ebene von molekularen Wechselwirkungen und zellulärer Physiologie ebenso wichtig wie die Analyse großräumiger Hirnaktivität und der zeitlich und räumlich hochaufgelösten Verhaltensbeobachtung mittels moderner Messtechnik. Ziel dieses Teil der Ringvorlesung soll es sein, Einblicke in das Wechselspiel von experimentellen Untersuchungen, Datenanalyse und mathematischer Modellierung des menschlichen Verhaltens zu geben, wie es die aktuelle Forschung in der experimentellen und kognitiven Psychologie dominiert. Dabei spielen die neurophysiologischen Grundlagen in immer stärkerem Maße eine Rolle, denn unser Wissen über die biologische bzw. neuronale Realisierung von Prozessen der menschlichen Informationsverarbeitung und Verhaltenssteuerung liefert für die Modellbildung eine große Menge von Randbedingungen, mittels derer die Plausibilität von Modellen beurteilt werden kann.
Details folgen noch.
Ein klassischen Anwendungsgebiet mathematischer Modellierung und Simulation findet sich in der Wettervorhersage. Bekanntermaßen sind auf Grund der Komplexität der physikalischen Prozesse in der Atmosphäre langfristige Wetterprognosen unmöglich. Mathematisch wird dies dadurch beschrieben, dass der konkrete Wetterverlauf als Realisierung eines uns nicht vollständig zugänglichen stochastischen Prozesses verstanden wird. Numerische Wettervorhersagen beruhen nun auf Monte-Carlo Simulationen derartiger Prozesse. Um diese Abstraktion fassbar zu machen wird zunächst eine Einführung in Monte-Carlo-Methoden gegeben und diese schrittweise in Richtung meteorologischer Anwendungen verallgemeinert. Dies wird Fragen der Bayes'schen Inferenz und sequentielle Monte-Carlo-Methoden zur Assimilation von Beobachtungsdaten in Simulationsmodelle einschließen.
Pharmakokinetik ist die Wissenschaft von der Aufnahme, Verteilung, Verstoffwechselung und Ausscheidung von Arzneistoffen im Menschen und Tier. Ein wichtiges Ziel ist es, den zeitlichen Konzentrationsverlauf von Wirkstoffen und deren Abbauprodukten im Blut und den Geweben des Körpers vorherzusagen. Mathematische Modellierung und Simulation spielen daher eine große Rolle in der Pharmakokinetik (und im weiteren Sinne in der Arzneimittelentwicklung), ohne die heutzutage praktisch kein neuer Wirkstoff mehr zugelassen wird. Der letzte Teil der Ringvorlesung wird zunächst in typische Fragestellungen der Pharmakokinetik einführen und kurz die biologischen & pharmakokinetischen Grundlagen skizzieren. Entscheidend für die mathematische Modellierung ist es zu verstehen, welche Art von Daten in welcher Phase des Entwicklungsprozesse erhoben werden: In frühen klinischen Studien werden an wenigen Probanden/Patienten und -innen vergleichsweise viele Daten erhoben, während in späten klinischen Studien an vielen Patienten/-innen wenige Daten erhoben werden. Die nicht-linerare Regression ist ein verbreiteter Modellierungsanzatz in der frühen Phase. Aufgrund der veränderten Datenlagen ist dieser Ansatz für die Analyse später klinischer Studien jedoch nicht geeignet. Erst durch die Entwicklung und Anwendung sog. nicht-linear gemischter Effekt-Modelle wurde es möglich, auch diese Daten Erkenntnis bringend auszuwerten. In der Vorlesung werden wir die Hintergründe näher erkunden und die verschiedenen Modellierungsansätze kennenlernen. Auf natürliche Weise werden sich dabei auch Verbindungen zu mathematischen Methoden ergeben, die in den vorherigen Teilen der Ringvorlesung vorgestellt wurden.
Ralf Engbert, Department Psychologie, E-Mail: ralf.engbert@uni-potsdam.de
Wilhelm Huisinga, Institut für Mathematik, E-Mail: huisinga@uni-potsdam.de
Sebastian Reich, Institut für Mathematik, E-Mail: sebastian.reich@uni-potsdam.de
Tobias Scheffer, Institut für Informatik, E-Mail: scheffer@cs.uni-potsdam.de